Die Geschichte vom kleinen Leo Forrest berührt viele Menschen. Leo kam am 21. Januar in Armenien mit dem Down-Syndrom zur Welt. Laut Medienberichten hat die Mutter ihn nach der Geburt nicht annehmen können. Sie hat nach Angaben des Vaters, Samuel Forrest, ihn vor die Wahl gestellt: entweder das Kind oder ich. Der Vater hat sich für das Kind entschieden und die Mutter reichte kurze Zeit später die Scheidung ein. Samuel Forrest hat daraufhin eine Crowdfunding-Kampagne gestartet und bittet um finanzielle Unterstützung, um mit seinem Sohn zurück in seine Heimat nach Neuseeland zu gehen. Die ersten Reaktionen im Netz sind „Diese Mutter hat das besondere Baby nicht verdient!“, „Ich verachte solche Menschen“ oder „toller Papa“. Es brennt mir unter den Nägeln, etwas dazu zu schreiben. Natürlich kenne ich die Familie nicht. Von der Mutter weiß man nicht viel. Und doch weiß ich zum Teil mehr, als ich möchte. Geht uns der Name der Mutter wirklich etwas an?! Offiziell hat sie bisher gegenüber ABC-News bestätigt, dass sie die Mutter von Leo ist und dass sie die Scheidung eingereicht habe, mehr noch nicht. Mir gehen viele Gedanken dazu durch den Kopf, die ich heute gerne mit euch teilen möchte ...
Erst vor kurzem übrigens habe ich von einer Mutter hier in Deutschland gehört, die ihr Kind mit Down-Syndrom nicht annehmen kann. Danach habe ich mir viele Gedanken darüber gemacht, wie wichtig es ist, ein Baby mit einer Behinderung willkommen zu heißen und die Mutter und den Vater gut zu unterstützen. Ich weiß auch von Müttern, die von ihren Männern nach der Geburt eines behinderten Kindes verlassen wurden und nun alleinerziehend sind. Ich habe auch von einer Familie gehört, die das Down-Syndrom in der Verwandtschaft lange verheimlicht hat, weil in der Familie die Behinderung des Kindes als Schuld der Mutter gesehen wird.
Schock - die erste Zeit ist kein Spaziergang!
Als die Kleine auf die Welt kam, war alles wunderschön, sie lag nackt und zerknautscht auf meinem Bauch. Wenige Minuten später wurde der Verdacht auf das Down-Syndrom noch im Kreisaal ausgesprochen. All die blumigen Bilder von dem rosigen Baby, das man glaubte in den Armen zu halten, zerbrachen von einer Sekunde auf die nächste, stattdessen sucht man nur noch Merkmale. Der Papa und ich standen in diesem Moment unter Schock. Und ich habe bisher noch keine Familie getroffen, die die Diagnose nicht aus der Bahn geworfen hat. Die einen sind mehr geschockt, die anderen weniger. Aber das ist ein Ausnahmezustand und das kann Tage, Wochen, Monate dauern. Je nach Persönlichkeit und je nachdem, wie auch das Umfeld reagiert und unterstützt. Und es heißt auch nicht, dass man in dieser Zeit sein Kind nicht liebt. Ich habe die Kleine nicht losgelassen, ewig nicht, ich wollte sie beschützen, ihr zeigen, dass ich sie nicht alleine lasse. Dieser Moment hatte für mich trotz all seiner Wucht seine ganz eigene Schönheit.
Hat man der Mutter und dem Vater von Leo diese Zeit gegeben? Scheinbar nicht! Würde ich die Mama von Leo kennen, ich würde ihr so gerne sagen, dass sie sich Zeit lassen und keine Entscheidung in diesem Ausnahmezustand treffen soll. Leo ist nicht mal drei Wochen alt, es ist alles noch sehr frisch!
Diagnosevermittlung
Wütend macht mich, wie den Berichten zufolge die Diagnose von den Ärzten übermittelt wurde!
Eine Frau, die soeben ein Kind auf die Welt gebracht hat, ist körperlich erschöpft und emotional extrem durchlässig. Umso wichtiger ist es, dass sie Zeit hat mit ihrem Baby. Dass sie es in den Arm nehmen kann, riechen, streicheln, küssen, einfach ansehen kann zusammen mit dem Vater. Die Ärzte und Hebammen haben in dem sensiblen und intimen Moment eine hohe Verantwortung, mit den Eltern und dem Baby angemessen umzugehen. Einerseits darf der Verdacht auf eine Behinderung nicht verheimlicht oder zurückgehalten werden, andererseits haben sie einen großen Einfluss allein durch die Sprache, die Wortwahl, den Klang in der Stimme. Es ist ganz entscheidend, wie sie über das Baby reden und dass sie den Eltern zu dem Kind gratulieren. Genauso wichtig ist es, wie sie das Kind untersuchen, wie sie es dabei anfassen. Das alles muss mit Respekt und Würde passieren, damit es der Mutter und dem Vater möglich ist, das Kind anzunehmen, damit sich das Baby willkommen fühlt.
Das Umfeld ist wichtig
Bei uns war die ganze Familie erst mal durch den Wind. Eigentlich sind fast alle, die einen kennen, in einer gewissen Weise betroffen. Am Anfang zumindest und das legt sich bei den meisten recht schnell, je mehr man sich auf das Baby einlässt. Jeder musste sich erst mal an den Gedanken gewöhnen, dass die Kleine das Down-Syndrom hat. Wir haben in dieser Zeit von unserer Familie und Freunden großartige Unterstützung bekommen und das kompromisslose Signal, dass die Kleine willkommen ist, so wie sie ist. Das ist enorm wichtig und prägt diese wichtige Zeit ganz massiv. Wir wissen nicht, wie das bei der Familie von Leo ist! Hier überwiegt offensichtlich eine ablehnende Haltung dem Kind gegenüber. Die Frage muss darüber hinaus auch lauten, wie kann man ein gesellschaftliches Umfeld schaffen, in dem ein behindertes Kind willkommen ist und eine Mutter nicht fürchten muss, dafür möglicherweise von ihrer Familie oder der Gesellschaft, in der sie lebt, geächtet zu werden?
Ich wünsche Leo und seinem Vater viel Kraft in dieser schwierigen Zeit!
Schön, dass du da bist, kleiner Leo!
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