„Die ist wichtig!“Jemand drückt mir von der Seite die Krone in die Hand. Es ist der Onkel der Kleinen. Wie recht er hat… Am Morgen nach der Feier im Haus der Großeltern packe ich alles ein, durchsuche dreimal die Räume, um dann mit das wichtigste, die Krone der Kleinen, zu vergessen?! Die Krone hat ihre Cousine gebastelt. Sie ist ein Zeichen. Eine Krone steht für etwas sehr Kostbares und zeigt, dass derjenige, auf dessen Haupt sie getragen wird, besonders wichtig ist. Die Krone ist ein Symbol für Stolz, Würde und für Schönheit.
Warum das Feiern so wichtig ist
Die Kleine kam vor einem Jahr auf diese Welt. Als sie dann in Tücher eingewickelt in meinen Armen lag, erlebten der Papa und ich einen der größten Glücksmomente im Leben. Einige Minuten später war dann alles anders. Der Verdacht auf das Down-Syndrom drängelte sich dominant und ungebeten hervor, presste die Freude an die Wand und schnürte ihr die Kehle zu bis sie ganz blass und immer weiter weg sich aufzulösen schien. Die Vorfreude auf die Kleine war so unermesslich groß gewesen… Doch dann? Da war keine Leichtigkeit, ich sah kein Funkeln mehr in den Augen des Papas. Ich hatte mir das zuvor noch so schön ausgemalt, wie ich mich die Tage nach der Geburt ausruhen darf und stolz und strahlend wie eine Königin auf ihrem Thron sitze, die kleine Prinzessin auf dem Arm … und alle würden kommen und sie flüsternd bestaunen und sanft lächeln und sich mit uns freuen. Mir schossen immer wieder Tränen in die Augen, weil das nicht so war. Ich habe mich zusammengerissen und mir gesagt, dass das jetzt einer der Momente in meinem Leben ist, in dem ich stark sein muss.
Mein Herz schlägt ping-pong
Die Feier zum ersten Geburtstag ist wie ein Ausrufezeichen, ein dickes fettes Ausrufezeichen. Und vor dem Ausrufezeichen steht mit der schönsten Schrift geschrieben: Wir freuen uns, dass du da bist! Wir lieben dich! Die Kleine ist wunderbar auf diesem Planeten angekommen. Wenn sie mich anstrahlt mit ihren schönen, blauen Augen, dann geht mein Herz auf. Ihr Lachen hat eine ansteckende Wirkung auf mich. Das ist manchmal wie Tischtennis spielen, einer fängt an und dann ping, pong, ping, pong werfen wir uns das Lachen und Glucksen und die Freude zwischen uns hin und her. In letzter Zeit wird sie richtig albern. Am liebsten abends beim Essen. Gestern wirft sie mir einen besonders kecken Blick zu und stößt dabei ein freches Quäken aus. Erwartungsvoll schaut sie mich an und fordert mich dazu auf, das gleiche zu tun. Ich antworte mit einem Quäken und sie lacht sich schlapp, bis ich nicht mehr kann.Einfach schön.
Es ist einfach schön!
Es ist vielleicht nicht ganz einfach zu erklären, wie das zusammen passt, wenn ich sage, dass ich sehr glücklich bin und auch, dass es hier und da nicht ganz einfach ist. Wie kann ich glücklich sein, wo ich doch jede Woche mit der Kleinen zu Therapeuten gehe, mehr Arztbesuche habe als viele andere Eltern. Glück ist für mich zu einem zentralen Thema geworden. Ich denke viel nach darüber seit die Kleine auf der Welt ist. Ich habe ein anderes Empfinden für den Moment entwickelt. Eigentlich und ehrlich gesagt ja aus der Not heraus. Denn da sind auch ab und zu Ängste und Sorgen und Phantasien darüber, was das Leben noch bereit hält. Aber das ist alles Zukunft und niemand weiß, was davon eintrifft. Negative Gedanken und Sorgen bringen einen nicht weiter, sie geben keine Kraft - im Gegenteil.
Die Krone und ein kostbarer Moment
Als wir im Haus der Großeltern die Feier vorbereitet haben, kommt ihre Cousine auf die Idee, die Krone zu basteln. Sie passt perfekt. Und wer eine Krone hat, der braucht auch einen Thron… Die Cousine verwandelt einen großen Sessel mit Kissen und Luftschlangen in den schönsten Thron weit und breit. Als dann alle Cousinen und Cousins, Tanten und Onkel, Omas und Opas und natürlich die Große, der Papa und ich versammelt waren und der erste Kuchen verspeist, haben wir die Kleine auf ihren Thron gesetzt und gesungen „Wie schön, dass du geboren bist, wir hätten dich sonst sehr vermisst …“ Da war er dann also doch irgendwie, der Moment, den ich mir am Anfang so herbeigesehnt hatte.