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Channel: Alles andere als down » Down-Syndrom
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Weich gefallen – die Unterstützung der Elterncommunity

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Ein Anruf. Ich ging zum Telefon, die Kleine lag schlafend auf meinem Arm. Es war die Kinderärztin, „… der Verdacht hat sich bestätigt“. Ich legte auf. Meine Mundwinkel zogen sich nach unten, der Unterkiefer bebte. „Nein!Nein!Nein! …, das kann nicht sein!“, presste ich mit gequälter Stimme heraus. Der Papa war gerade unterwegs, um für die Kleine etwas zu besorgen. Ich rief ihn an, nicht eine Sekunde länger konnte ich damit alleine bleiben. Im Hintergrund waren Menschen zu hören die leise redeten, er stand in einer Apotheke, mitten in Hamburg. Seine Stimme klang ruhig, besonnen und gefasst.
Dann hörte ich einen Schlüssel in der Tür, die Große kam von der Schule. „Sie hat angerufen, es hat sich bestätigt.“ Dass eine so bedeutende Information mit so einfachen, wenigen Worten auskommt …

Die eigene Einstellung ist wichtig

Wenige Minuten später saßen der Papa, die Große und ich auf dem Sofa. Der Papa und ich sprachen immer wieder wie ein Mantra vor uns hin: „Es wird nicht an der Kleinen mit ihrem kleinen Extra liegen, ob wir ein glückliches Leben führen werden oder nicht.“ Wir haben die Verantwortung für unsere Leben, es ist unsere Sicht der Dinge, die entscheidend sein wird. Die Kleine schlief immer noch auf meinem Arm. Wir hatten große Angst davor, dass ab jetzt unser Leben schwieriger wird und wir alle unglücklich. Die Große war tief betroffen, wollte das alles nicht wahrhaben, zweifelte an dem Ergebnis. So sehr hatte sie die Kleine schon in ihr großes Herz geschlossen. Ich konnte die Große nicht vor den Gefühlen der Ohnmacht und Trauer beschützen, der einzige Weg war, da zusammen durchzugehen.

Berichte anderer Eltern machten uns Mut

Wir verbrachten Stunden auf dem Sofa, weinten und redeten immer abwechselnd. Wir lasen im Internet Erfahrungsberichte, sahen uns Bilder und Blogs (Fairy BreadMias kleines Extra) anderer Eltern an. Wir fanden dann einen Brief an neue Eltern. Ich schaute mir die Seite eines Elternvereins aus Hamburg an, KIDS Hamburg. e.V. . Später am Abend schieb ich eine E-Mail an KIDS. Zwar spürten wir den Schock noch am ganzen Körper (wortwörtlich), doch was wir dort lasen, machte uns Mut. Wir merkten, wir sind nicht alleine. Wir sind nicht die Ersten, denen es so geht. Es gab ein Netz, in das wir fielen.

 „Wiederbelebung“ bei Kaffee und Kuchen

Am nächsten Morgen klingelte das Telefon. Eine nette Frau von KIDS e.V. stellte sich vor, sie habe auch einen Sohn mit dem Down-Syndrom. Der Papa sprach länger mit ihr, ich konnte das noch nicht, ich hätte vor lauter Schluchzen kein Wort herausbekommen und das war mir irgendwie peinlich.
Am gleichen Morgen bekam ich eine E-Mail von einer anderen Mutter von KIDS. Ich schaffte es, später mit ihr zu telefonieren. Sie erzählte mir von einem anderen Paar, das auch gerade ein Baby mit Down-Syndrom bekommen hatte. Sie fragte, ob wir Lust hätten, mit ihnen zusammen zu ihr nach Hause zu kommen. Ich war überrascht über die Offenheit. Ich hatte mir zuvor ausgemalt, dass man in irgendwelche Beratungsräume eingeladen wird und auf Korbstühlen sitzend (vor einem läge dann eine Box Taschentücher zum Rausziehen) seine Ängste und Sorgen beschreibt und dann aufgemuntert wird. Nach Hause eingeladen zu werden, ist schon etwas Anderes, damit hatte ich nicht gerechnet, toll. Ich überlegte aber auch ganz still für mich, ob ich es gut finde, so ein Treffen mit dem anderen Paar. Ich fühlte mich schwach und orientierungslos, mich so zu outen vor so vielen anderen bislang fremden Menschen?

Den ganzen Tag über erhielt ich noch Mails und SMS anderer Eltern, die Kinder mit Down-Syndrom haben - mit Glückwünschen zur Geburt der Kleinen. Eltern, die uns völlig selbstverständlich ihre Telefonnummern gaben und sich als Gesprächspartner anboten.

Ja! Sie hat vom „Glück“ gesprochen

Der Papa saß am Steuer und parkte das Auto in eine Parklücke. Wir suchten kurz nach der richtigen Hausnummer. Es war eine schöne Straße mit alten Häusern, nur ein Stadtteil von unserem Viertel entfernt. Wir wurden von der Mutter und ihrem Kind an der Wohnungstür empfangen. Es war alles so angenehm unkompliziert, als würde man eine alte Bekannte besuchen. Kurze Zeit später klingelte es und das andere Paar kam hinein. Der Papa trug den Autositz mit dem schlafenden Baby und die Mama überreichte einen Kuchen. Mist, dachte ich, ich hätte auch was mitbringen können …
Wir saßen also alle zusammen, aßen Kuchen und redeten. Unsere Gastgeberin erzählte von sich und ihrem Kind, das in dem Sommer eingeschult worden ist. Ihr Mann war gerade geschäftlich unterwegs. Wir hatten ganz große Ohren, als sie über Frühförderung, Physiotherapie, Logopädie sprach. Wir machten uns Notizen, um nichts zu vergessen. Ihr Sohn schnappte sich die Große, zeigte ihr sein Zimmer und ließ sich von ihr den ganzen Nachmittag ein Kinderbuch nach dem anderen vorlesen.

Ich sehe die Mama noch genau vor mir sitzen, wie sie selbstbewusst sagte „Ich führe ein glückliches Leben …“ Das, genau das, wollte ich hören. Ich wollte genau das fühlen, dass das Leben nicht vorbei ist und kein Down-Syndrom der Welt uns ins ewige Unglück stürzen wird. Danke!

Zusammenhalt

Die Kleine war gerade mal drei Wochen alt und die ersten Kontakte zu anderen Familien mit Kindern mit Down-Syndrom waren an diesem Tag geknüpft und damit ein großer Schritt geschafft, im neuen Leben anzukommen. Von da an lernte ich zahlreiche Eltern kennen, die Kinder im ähnlichen Alter haben wie die Kleine. Den Zusammenhalt zwischen den Eltern erlebe ich als etwas ganz Besonderes.

Und das ist für Euch

Ich möchte mich nicht nur in der "Elterncommunity", die mich aufgefangen hat, sondern auch bei Euch ganz herzlich bedanken für die wundervollen Kommentare zu meinem letzten Blogbeitrag. Und auch für die Beiträge davor. Viele haben ihre eigene Geschichte beschrieben und von ihrer Schwangerschaft, ihren Kindern oder ihren Geschwistern berichtet. Auch Menschen ohne Kinder haben sich beteiligt und ihre Haltung deutlich gemacht. Für mich ist jede dieser Geschichten eine Botschaft: der Liebe und des Respekts vor dem Leben. Danke!

(Quelle: privat) Dieses kleine Tier wurde auf den Namen "Superglucke" getauft 😉 Die Cousine der Kleinen hat es selbst gemacht und uns zur Geburt geschenkt.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 


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